ADB:Breithaupt, August

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Artikel „Breithaupt, Joh. Friedr. August“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 292–294, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Breithaupt,_August&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 20:35 Uhr UTC)
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Breithaupt: Joh. Friedr. August B., geb. 18. Mai 1791 zu Probstzella, einem kleinen Bergstädtchen im Thüringer Walde, † 22. Septbr. 1873; erhielt seine Jugendbildung in den Schulen und im Gymnasium zu Saalfeld, wohin sein Vater als Amtmann versetzt worden war. Der blühende Bergbau, welcher damals im Thüringer Walde, besonders bei Saalfeld betrieben wurde, hatte schon frühzeitig auf B. einen bestimmenden Einfluß ausgeübt. So bezog er zu Michaelis 1809 die Universität Jena mit dem Vorsatze, der Cameralwissenschaft und dem Studium des Bergfachs sich zu widmen. Er hörte hier Mathematik und Physik bei Voigt, Chemie bei Döbereiner, Mineralogie bei Lenz und ging, um sich noch gründlicher im Bergfache zu unterrichten, zu Ostern 1811 nach Freiberg auf die Bergakademie, wo ihn besonders Werner anzog und begeisterte. Sein Eifer erweckte Werner’s Aufmerksamkeit und Beachtung. Anstatt als Bergmann, wie er vorhatte, nach Amerika zu gehen, erhielt B. als noch ganz junger Mann an der Stelle des damals verstorbenen C. S. Hoffmann [293] auf Werner’s ausdrückliche Empfehlung die Stelle eines Hülfslehrers an der Akademie und eines Edelstein-Inspectors (1813). Damit war seine wissenschaftliche Carriere entschieden, in welche er rasch durch die auf Werner’s Wunsch übernommene Fortsetzung des von Hoffmann begonnenen Handbuchs der Mineralogie sich empfehlend einführte. Jedoch trat die Eigenartigkeit seiner wissenschaftlichen Forschungen erst in den nachfolgenden selbständigen Arbeiten „Ueber die Echtheit der Krystalle“ (1815) und in „Charakteristik des Mineralsystems“ (umgearbeitet 1823 unter dem Titel: „Vollständige Charakteristik“ etc.) zu Tage. Schon damals offenbarte sich seine Neigung zur Erforschung der Krystalle und der äußeren Merkmale der Mineralien, und in seiner durchaus praktischen Richtung ermüdete er nicht durch sehr zahlreiche Winkelmessungen an Krystallen sich Klarheit über Differenzen zu verschaffen, welche von anderen Krystallographen als zufällige Störungen ganz unbeachtet gelassen wurden. So hat er am Spaltungsrhomboeder des Kalkspaths allein gegen 3000 Winkelmessungen vorgenommen und stellte auf Grund solcher Messungen die sog. „Progressionstheorie“ auf, durch welche er aus wenigen tesseralen Formen alle Krystallgestalten ableiten zu können glaubte. Um die gegen diese Theorie erhobenen Bedenken zu beseitigen, unterzog er sich der unendlichen Mühe, die erforderlichen Berechnungen an allen bekannten Mineralspecies vorzunehmen. Auch in anderen Zweigen der beschreibenden Mineralogie war er gleich energisch thätig. So verdankt ihm die Wissenschaft allein gegen 4500 Bestimmungen des speciellen Gewichtes, die er in seinem langen Leben ausgeführt hat. Inzwischen hatte er nach Werner’s Tod (1817) dessen Vorlesungen über Mineralogie übernommen und erhielt, als Werner’s Nachfolger Mohs, 1826 einem Ruf nach Wien folgte, die Professur der Mineralogie in Freiberg, die er bis zu seinem Rücktritt 1866 mit glänzendem Lehrerfolg inne behielt. Sein Vortrag war streng logisch geordnet, gleichwol lebendig und warm, wodurch es ihm gelang, bei seinen Zuhörern Begeisterung für das Fach zu erwecken. Unermüdlich setzte er auch seine wissenschaftlichen Arbeiten fort. Er schrieb 1825 ein topographisches Schriftchen: „Die Bergstadt Freiberg“ und als sein bedeutendstes Werk: „Vollständiges Handbuch der Mineralogie“, das in 3 Bänden leider unvollendet geblieben ist (1836–1847). Seine krystallographischen Studien führten ihn zu neuen Gesetzen, welche in Verbindung mit gewissen optischen Erscheinungen ihn bestimmten, die bis dahin geltenden 6 Krystallsysteme, von denen 3 seine Bezeichnungsweise jetzt noch tragen, bis auf 13 zu vermehren. Wenn diese Aufstellungen sich auch nicht als zutreffend erwiesen haben, so gaben sie doch zu vielen wichtigen Entdeckungen und genaueren Bestimmungen Veranlassung. Schon 1817 hatte B. zuerst die Aufmerksamkeit auf den Unterschied gelenkt, daß Mineralien von derselben Mischung in Krystallen und in anderer fester Form vorkommen können, die keine Spur von Krystallisation erkennen läßt. Den letzteren Zustand nannte er den „poradinen“, für welchen später die Bezeichnung „amorph“, die auch jetzt noch gebräuchlich ist, durch N. Fuchs in die Wissenschaft eingeführt wurde. Auch die Kenntniß der Pseudomorphosen verdankt B. eine große Erweiterung; war es doch B., der in der schon genannten kleinen Schrift: „Ueber die Echtheit der Krystalle“, 1815, diesen Gegenstand zuerst selbständig behandelte und auf die Umwandelung ganzer Felsmassen, wie Serpentin-Speckstein aus früher vorhandenen anderen Mineralanhäufungen, nach Art der Pseudomorphosenbildung hinwies – eine für die Geologie wichtige Entdeckung. Reiche Beiträge lieferte er später in zahlreichen Abhandlungen (über Pseudomorphosenbildungen, N. Jahrb. für Mineralogie, 1852–1855). Als durchaus praktischer Mineralog besaß er eine Meisterschaft in dem Erkennen der Mineralien mittelst äußerer Merkmale, wie kaum ein anderer Mineralog. Er entdeckte eine große Anzahl [294] neuer Mineralspecies, von denen sich gegen 50 eine gesicherte Selbständigkeit erhalten haben. Außerdem verdanken viele andere Arten ihm eine genauere, mit großer Schärfe festgestellte Charakterisirung. In Bezug auf die Namengebung trat er in Mohs’ Fußstapfen und versuchte später die systematische Nomenclatur nach dem Vorgang der Zoologie und Botanik lateinisch umzubilden, ohne aber damit in der Praxis durchzudringen. Indem B. zuerst das Gesetzmäßige in dem geselligen Vorkommen gewisser Mineralien nachwies und in einem eigenen Werkchen: „Paragenesis der Mineralien“ klarlegte, ward er der Schöpfer dieses besonderen, praktisch wichtigen Zweigs der Mineralogie, wie er denn auch durch das Zusammenfassen isomorpher Mineralien zu natürlichen Gruppen (schon im J. 1820) als Vorläufer der Entdeckung des Isomorphismus angesehen werden darf. Insbesondere erwarb sich B. große Verdienste als Custos der mineralogischen Sammlung der Freiberger Akademie, die sich unter ihm um 20000 Exemplare vermehrte. Seine kleineren Arbeiten erschienen in zahlreichen Beiträgen in Fachjournalen und Zeitschriften. – B. fehlte es auch nicht an äußeren Ehrenbezeugungen. Die Universitäten Marburg und Jena ernannten ihn zum Ehrendoctor und die Akademien von Göttingen, München, Florenz, Madrid und die Car. Leopoldina zu ihrem Mitgliede, ebenso wie auch zahlreiche naturwissenschaftliche Vereine. Er war außerdem mit vielen Orden geziert, unter anderen mit dem Comthurkreuze des königl. sächs. Verdienstordens. Seine Regierung ernannte ihn 1853 zum Bergrath und 1854 zum Oberbergrathe. Auch ist ihm durch die Widmung eines ausgezeichneten Minerals in dem nach seinem Namen genannten „Breithauptit“ ein bleibendes mineralogisches Denkmal gesetzt. Leider erblindete B. bald nach seinem Rücktritt aus dem öffentlichen Dienste und sah dadurch seiner wissenschaftlichen Thätigkeit ein rasches Ziel gesetzt. Aus diesem traurigen Zustande erlöste ihn in Freiberg im 83. Lebensjahre der Tod.

Neues Jahrb. f. Min., 1874, S. 108; Sitz. d. Ak. in München am 28. März 1874, S. 76.