ADB:Link, Heinrich Friedrich

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Artikel „Link, Heinrich Friedrich“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 714–720, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Link,_Heinrich_Friedrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 10:42 Uhr UTC)
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Band 18 (1883), S. 714–720 (Quelle).
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Link: Heinrich Friedrich L., Naturforscher, geboren den 2. Februar 1767 zu Hildesheim, gestorben den 1. Januar 1851 zu Berlin, genoß seinen Schulunterricht auf dem Gymnasium Andreanum seiner Vaterstadt und zeichnete sich schon als Schüler durch Fleiß und sittliche Tüchtigkeit aus. Die erste Anregung für seine Liebe zu den Naturwissenschaften erhielt er durch seinen Vater, der, Prediger von Beruf, nebenher ein eifriger Sammler von Naturalien war. Im J. 1786 bezog L. die Universität Göttingen und widmete sich energisch dem Studium der Medicin, doch stets mit vorwaltender Bezugnahme auf Naturwissenschaften. Vor allem war es Blumenbach, der den Jüngling mächtig anzog und für sein späteres Leben bestimmend wurde. L. hatte erst zwei Jahre studirt, als er sich schon durch Lösung einer von der medicinischen Facultät ausgegebenen Preisschrift: „Commentatio de analysi urinae et origine calculi“ hervorthat. 1789 wurde er zum Dr. med. promovirt auf Grund einer Dissertation: „Florae Göttingensis specimen, sistens vegetabilia saxo calcario propria“. In den Thesen zu dieser Schrift trat L. bereits als entschiedener Anhänger der damals neuen antiphlogistischen Lehre auf. Den nächsten Anstoß, sich mit geologischen Untersuchungen zu beschäftigen, hatte er schon früher in Goslar empfangen, wo er aus Gesundheitsrücksichten sich eine Zeit lang aufhalten mußte. Im Anschluß daran entstand dann 1790 seine erste größere Schrift: „Versuch einer Anleitung zur geologischen Kenntniß der Mineralien“. Während L. im Begriff stand, auf eine Aufforderung hin, sich in einer süddeutschen Stadt als praktischer Arzt niederzulassen, erhielt er 1792 von der Universität Rostock einen Ruf als ordentlicher Professor der Naturgeschichte und Chemie, den er bereitwilligst annahm. Von nun an sah er im Lehrfache und der Naturforschung seinen Lebensberuf. Auf dem Rostocker Lehrstuhl war Link’s Thätigkeit zunächst in vorzüglichem Maße der Physik und Chemie zugewandt. In seinen „Beiträgen zur Physik und Chemie“, die 1795–1797 erschienen, zeigte sich L. nicht nur als tüchtigen Kenner der chemischen Litteratur, er bewies auch sein Talent für Beobachtungen und Experimente. Besonders anhaltend beschäftigten ihn die Gesetze der chemischen Anziehung und Abstoßung, sowie die quantitativen Verhältnisse, in denen sich die Stoffe mit einander verbinden. Ueber Auflösung und Krystallisation der Körper stellte er zahlreiche Versuche an. In der Folge trat [715] L. auch als zoologischer Schriftsteller auf in seinen „Beiträgen zur Naturgeschichte“, in welchen er namentlich Fragen über die Classification des Thierreiches zu beantworten suchte. Bei den gleichzeitigen epochemachenden Arbeiten von Cuvier und Geoffroy St. Hilaire traten indessen Link’s Versuche bald in den Hintergrund und auch seine späteren Arbeiten in dieser Disciplin, wie z. B. ein Aufsatz in den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften vom J. 1830: „Von Pflanzenthieren überhaupt und von den dazu gerechneten Pflanzen insbesondere“ kamen, trotz mancher darin enthaltenen verdienstlichen Beobachtung nicht recht zur Geltung. Von botanischen Abhandlungen veröffentlichte L. während dieses Zeitraums kleinere Beobachtungen über den Blüthenstand, über die Wurzeln und über die Gefäße der Pflanzen in Römer’s Archiv für die Botanik Bd. I und III. Im J. 1797 benutzte L. einen ihm gewährten zweijährigen Urlaub zu einer besonders botanischen Zwecken gewidmeten Reise nach Portugal als Begleiter des Grafen Joh. Centurius v. Hoffmannsegg. Ein Resultat derselben war zunächst die Schrift: „Bemerkungen auf einer Reise durch Frankreich, Spanien und vorzüglich Portugal 1799–1804“. Daran schloß sich eine Flora von Portugal, welche nach der Rückkehr des Grafen, mit diesem zusammen bearbeitet, in ihrem ersten Theil 1809, im zweiten 1820 erschien, ohne indessen ganz vollendet zu werden. Ihr Titel lautet: „Flore portugaise ou description de toutes les plantes qui croissent naturellement en Portugal“. Mit der Rückkehr aus Portugal hatte L. seine erste geistige Epoche abgeschlossen. Sein Blick war erweitert, sein Urtheil reifer, sein Standpunkt freier geworden und so wendete er sich mit erhöhter Kraft neuen Aufgaben zu, die ihm theils durch das Lehramt, theils durch inneres Bedürfniß nahe gelegt waren. Zunächst waren es wieder Physik und Chemie, die ihn beschäftigten. In Gilbert’s Annalen der Physik erschienen in den Jahren 1806 Aufsätze über die Adhäsion der tropfbaren Körper (Bd. 24 u. 26); 1807 „Ueber Festigkeit und Flüssigkeit“ (Bd. 25); 1808 „Ueber Anziehung und Verwandtschaft“ (Bd. 30) und eine in demselben Jahre verfaßte, von der Akademie zu St. Petersburg mit dem Preise gekrönte Abhandlung: „Von der Natur und den Eigenschaften des Lichtes“. Als Anhänger der sich eben bahnbrechenden Lavoisier’schen Theorie bekämpfte er, als einer der Ersten, die neue chemische Verwandtschaftstheorie des französischen Chemikers Berthollet. In seinen chemischen Vorträgen legte er Fourcroy’s: philosophie chimique zu Grunde, wovon er eine mit vielen Bemerkungen versehene Uebersetzung herausgab: „Die Grundwahrheiten der neuern Chemie u. s. w.“ 1806. Daneben lag aber L. eifrig pflanzenanatomischen Untersuchungen ob und betheiligte sich an der von der Societät der Wissenschaften zu Göttingen 1804 gestellten Preisaufgabe über den Gefäßbau der Gewächse, wobei ihm und seinem Freunde Rudolphi, damals Professor in Greifswald, der Preis zuerkannt und dem praktischen Arzte Treviranus in Bremen, der ebenfalls eine Arbeit eingesandt hatte, das Accessit verliehen wurde. Jene Preisschrift Link’s wird weiter unten ausführlicher besprochen werden. Verwandt mit diesen phytotomischen Forschungen waren die mikroskopischen Forschungen über die Pilze, deren Resultate L. in einem Aufsatze im Magazin der Gesellschaft naturforschender Freunde (Bd. 3 u. 4): „Observationes in ordines plantarum naturales etc.“ veröffentlichte. Eine systematische Arbeit über die Pilze war die Bearbeitung derselben in dem betreffenden Theile von Willdenow’s species plantarum. Neben diesen verschiedenen wissenschaftlichen Bestrebungen wußte L. auch den Ansprüchen an sein administratives Talent durchaus Rechnung zu tragen. Zweimal verwaltete er das Amt eines Rektors und widmete sich mit großer Energie und eindringlichem Scharfsinn den Geschäften eines Universitäts-Deputirten bei der sogenannten Kriegskasse, welche im Verlaufe des französisch-preußischen Krieges eine mühevolle, [716] aber dem Lande höchst ersprießliche Thätigkeit entwickelte. Auch die ihm unterstellten wissenschaftlichen Institute verwaltete L. in echt wissenschaftlichem Geiste. Eine „Beschreihung des Naturaliencabinets der Universität Rostock“, in fünf Abtheilungen, 1806–1808 erschienen, resultirte aus dieser Thätigkeit. Im Herbste 1811 erhielt L. gleichzeitig einen Ruf nach Halle und Breslau. Er entschied sich für letzteres. Obschon amtlich hier zunächst auf den Lehrstuhl der Botanik und auf die Verwaltung des neu gegründeten botanischen Gartens angewiesen, beschränkte er sich doch nicht darauf. Er lehrte zugleich physikalische Geographie, Pharmakognosie, Toxikologie, materia medica und ähnliche Doktrinen. Hier in Breslau hielt er auch dem zeitweilig anwesenden Kronprinzen von Preußen, nachmaligem Könige Friedrich Wilhelm IV. naturwissenschaftliche Vorlesungen. Die Unbilden des Krieges hatten schwer auf Breslau gelastet; und auch hier, wie in Rostock, mußte L., während eines vierjährigen Aufenthaltes zweimal Rektor, unter schwierigen Verhältnissen seine administrative Fähigkeit und seine kluge Leichtigkeit im Umgange erproben. 1815 wurde L. nach Berlin berufen und zwar als Mitglied der medizinischen Fakultät; zugleich ward ihm die Verwaltung des botanischen Gartens übertragen. Er fand hier in dem erweiterten Kreise Gelegenheit, seine Talente noch mehr zur Geltung zu bringen. Er wurde bald aktives Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Gesellschaft naturforschender Freunde, als Geheimer Ober-Medizinalrath Beisitzer der wissenschaftlichen Deputation im Ministerium, Mitglied der Prüfungskommission für Aerzte und Pharmazeuten, Direktor des botanischen Gartens, des Universitäts-Gartens, des königlichen Herbariums und der pharmakognostischen Sammlung. Dabei stand er viele Jahre lang dem Verein zur Beförderung des Gartenbaues vor. In diesen verschiedenen Stellungen bewies L. während der 36 Jahre seiner Berliner Wirksamkeit eine bis auf die letzten Lebensstunden ausgedehnte unermüdliche Thätigkeit, die von seiner erstaunlich vielseitigen Begabung ein beredtes Zeugniß ablegte. In gerechter Anerkennung seiner vielen Verdienste wurden ihm Ehrenbezeigungen von Fürsten und wissenschaftlichen Corporationen in reichem Maße zu Theil. Fast allen Akademien Europas gehörte er an. Nach nur kurzem Krankenlager verschied L. am Neujahrstage 1851 im beinahe vollendeten 84. Lebensjahre. L. war ein Polyhistor und legte für seine Person Werth darauf, es zu sein. Der Gefahr aber, die darin liegt, ist auch er nicht entgangen. Während seiner Thätigkeit in Berlin war L., gegenüber den reichen botanischen Hülfsmitteln der Großstadt, mehr wie je auf botanische Forschungen angewiesen und so breitete er sich auch über alle Zweige der Botanik aus, wie seine zahlreichen Arbeiten beweisen, die von der Zeit seiner Berufung nach Berlin bis zu seinem Tode erschienen sind und an Zahl die Arbeiten aus anderen Disziplinen bei weitem übertreffen. In welchem Maße diese Thätigkeit Link’s für die botanische Wissenschaft nutzbringend gewesen ist, ist von seinem Biographen, dem ihm befreundeten Akademiker v. Martius in einer sehr warm empfundenen Denkrede treffend mit folgenden Worten charakterisirt worden: „Das größte Verdienst einer so weit ausgreifenden Thätigkeit können wir nicht sowol darin finden, daß L. die botanische Wissenschaft im Ganzen durch Thatsachen und Ideen von universellstem Belange auf ihrer Entwicklungsbahn vorwärts getrieben hatte, als vielmehr darin, daß er nach den mannigfaltigsten Seiten hin nachforschend, berichtigend und berichtend, bezweifelnd, belehrend und anregend gewirkt hat.“ Die bereits oben erwähnte Preisschrift Link’s, von seinen botanischen Arbeiten jedenfalls die erste von größerer Bedeutung, vielleicht die bedeutendste überhaupt, erschien, aus dem Lateinischen übersetzt und vielfach vermehrt, im J. 1807 unter dem Titel: „Grundlehren der Anatomie und Physiologie der Pflanzen“ und erhielt später noch zwei Nachträge. Man [717] muß sich den Stand der damaligen Pflanzenanatomie vergegenwärtigen, um ihre Bedeutung ganz zu würdigen. Obwohl in der Verbesserung der Mikroskope manche Fortschritte gemacht worden waren, so war man doch am Beginn des 19. Jahrhunderts in der Erkenntniß der inneren Struktur des Pflanzenkörpers noch nicht viel weiter, als die Begründer der Pflanzenanatomie, Malpighi und Grew, im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts gewesen waren. Zwar hatten die Arbeiten Hedwig’s, vor allem aber diejenigen Brisseau de Mirbels und Kurt Sprengel’s um 1802 das Interesse an der Phytotomie wieder von neuem angeregt, trotzdem herrschten über wichtige anatomische Hauptfragen die größten Meinungsverschiedenheiten unter den Fachmännern. So war man beispielsweise immer noch nicht einig darüber, ob das Zellgewebe der Pflanzen eine homogene vegetabilische Masse sei, in der die Zellen nur Hohlräume darstellen, oder ob die letzteren selbständige, von Scheidewänden umgebene Gebilde seien; ob die sogenannten Gefäße der Pflanzen aus dem Zellgewebe entständen und wie viel Formen der letzteren anzunehmen seien; kurz die Deutung des Gefäßbaues der Pflanzen bot noch große Schwierigkeiten. Zur Klärung dieser Fragen stellte die Göttinger Akademie die erwähnte Preisaufgabe. Es ist unzweifelhaft Link’s Verdienst in seiner, auf Grund dieser Anregung entstandenen Schrift, ganz entschieden die Selbständigkeit der pflanzlichen Zelle hervorgehoben zu haben. Er bewies die Abgeschlossenheit derselben durch das Vorkommen von Zellen mit farbigem Saft mitten im farblosen Gewebe; er erkannte zuerst hinsichtlich der Form der Zellen, die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen der abgeplatteten und zugespitzten, der Parenchym- und Prosenchymzelle, auch wies er schon ganz richtig nach, daß die großen Höhlen in hohlen Stengeln und im Getriebe der Wasserpflanzen durch verschiedenes Wachsthum der Gewebezellen entstehen. In der Erkenntniß der Natur der Gefäße war L. dagegen weniger glücklich. Schon ihre Definition als ein Nahrungssaft führender Canal, wozu ihn die Analogie mit dem Thierkörper geführt hatte, war unrichtig, ebenso, wie seine Ansicht vom Dickenwachsthum des Holzkörpers. Ueberhaupt läßt die Arbeit eine strenge Auseinandersetzung über die mit den Worten verbundenen Begriffe nicht selten vermissen, wenngleich sie durch ihre wohlgeordnete Darstellungsweise, durch ihre, große Belesenheit verrathende Kritik, die gleichzeitig gekrönte Rudolphi’sche Arbeit um vieles übertrifft. Die wichtigste Folge jener Arbeit war jedenfalls die Anregung, die durch sie der Phytonomie von neuem geworden und die in den späteren Arbeiten von Paul Moldenhawer und Hugo v. Mohl zu glänzenden Resultaten führte. Auch später noch beschäftigte sich L. mit pflanzenanatomischen Untersuchungen, ohne jedoch für ihre Resultate immer die Anerkennung seiner Zeitgenossen zu finden. Es war sein Fehler, daß er über Detailfragen bei seiner Forschung mit zu großer Leichtigkeit hinwegging. Während seines Berliner Aufentha1tes erschienen als selbständige Werke anatomischen Inhalts: „Elementa philosophiae botanicae“ (1824 u. 1837) und im Anschluß daran: „Icones anatomico-botanicae ad illustranda elementa philosophiae bot.“ (auch mit deutschem Titel (1837–42)); ferner „Icones selectae anatomico-botanicae etc.“ (1839–42), sowie „Anatomia plantarum iconibus illustrata“ (1843–1847) deren treffliche von C. F. Schmidt ausgeführte Abbildungen rühmend hervorzuheben sind. Einige Abhandlungen in den Monatsberichten der Berliner Akademie wie: „Ueber den inneren Bau der Farnkräuter“ (1834. 1835. 1840. 1841); „Ueber den inneren Bau der Früchte der Tangarten“ (1833) gehören ebenfalls hierher. Das nahe verwandte Gebiet der Pflanzenphysiologie zählte L. ebenfalls zu seinen Mitarbeitern. Daß er auch auf diesem Felde mit eifriger Theilnahme den Fortschritten folgte, beweisen die nach Meyen’s Tode von ihm verfaßten „Jahresberichte über die Arbeiten für physiologische Botanik“ (1840–45) in Wiegmann’s: [718] „Archiv für Naturgeschichte" (1841–46). Ueber die Aufnahme von Flüssigkeiten durch die Blätter stellte er Versuche an und veröffentlichte deren Resultate in den Verhandlungen der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin (1829). Der Standpunkt, den L. in seinen morphologischen Schriften einnimmt, findet sich bereits in dem kurz vor seiner Abreise nach Portugal (1798) geschriebenen Buche: „Philosophiae botanicae novae seu institutionum phytographicarum prodromus“ angedeutet und weiter entwickelt in seinen: „Elementa philosophiae bot.“, die 26 Jahre später erschienen. Er weicht nicht wesentlich ab von dem der besten Botaniker seiner Zeit; es ist der der Goethe’schen Metamorphosenlehre. Indessen finden sich doch auch in seinen Schriften hinsichtlich der Erklärung der Blüthenbildung, Gedanken ausgesprochen, die an die phantastische Linné’sche Lehre von der Prolepsis erinnern, jener Theorie, nach der die Blüthe nichts sei, als das gleichzeitige Erscheinen von Blättern, die eigentlich den Knospenbildungen von sechs aufeinander folgenden Jahren angehören, so zwar, daß die Blätter der für das zweite Jahr der Pflanze zur Entwicklung bestimmten Knospe zu Bracteen, die Blätter des dritten Jahres zum Kelch, die des vierten zur Blumenkrone, die des fünften zu Staubgefäßen, die des sechsten zum Pistill werden. Auch hierbei hat L. philosophischen Spekulationen zu Liebe, die thatsächlichen Verhältnisse ignorirt. In der botanischen Systematik hat L., in der richtigen Erkenntniß, daß jedes System etwas Willkührliches sei, versucht, diese Willkühr dadurch möglichst einzuschränken, daß er als Eintheilungsprincip das hinstellte, was nach seiner Meinung in dem Wechsel der Formen das Beständige sei. Dafür hielt er zunächst den Zellenaufbau, sodann die Insertionsverhältnisse der Blüthe und endlich die Ausbildung der Frucht und die Anheftungsweise der Samen. Auf diesem Grunde erbaute er ein Pflanzensystem, das er zuerst in der Einleitung zu seiner Flore portugaise, später mit einigen Modifikationen in seinem „Handbuch zur Erkennung der nutzbarsten und am häufigsten vorkommenden Gewächse“ 1829–33 (das zugleich den 2–4. Theil von Willdenow’s: „Grundriß der Kräuterkunde“ ausmacht) der Oeffentlichkeit übergab. Eine allgemeinere Verbreitung hat Link’s System nicht erfahren. Groß ist die Zahl von Link’s Schriften phytographischen Inhaltes. Die verdienstvollsten unter ihnen sind wol die im Verein mit dem bewährten Garteninspektor Otto und andern am botanischen Garten in Berlin wissenschaftlich thätigen Botanikern herausgegebenen Beschreibungen von Pflanzen jenes Institutes. Von L. allein sind verfaßt: „Enumeratio plantarum horti botanici Berolinensis“ (1820-22); „Hortus regius botanicus Berolinensis descriptus“ (1827-33); einige monographische Untersuchungen über Pinus und die europäischen Arten dieser Gattung (1827); ferner: „Filicum species in horto regio bot. Berol. cultae“ (1841); „Abietinae horti regii bot. Berol. cultae“ (1841). Sodann aber sind zu nennen die von der Regierung unterstützten iconographischen Werke: „Link et Otto, Icones plant. select. horti reg. bot. Berol. cum descriptionibus et colendi ratione“ (1820–28); „Link et Otto, Icones plant. rar. hort. reg. bot. Berol. cum descriptionibus etc.“ (1828–31); Link, Klotzsch et Otto, Icones plant. rar. hort. reg. bot. Berol.“ (1841-44). Sie beruhen auf den zahlreichen neu eingeführten Pflanzen des botanischen Gartens, für den L. in der Person des Professor Röthig und später in der dessen Neffen C. F. Schmidt besondere Pflanzenzeichner engagirt hatte. Im Anschluß an diese Arbeiten sei hier gleichzeitig der Thätigkeit Link’s als Leiter des Berliner botanischen Gartens und Herbariums gedacht. Direktor des Gartens wurde L. am 15. Juli 1815 als Nachfolger Willdenow’s und nach einer dreijährigen interimistischen Verwaltung durch den Zoologen Lichtenstein. Hat L. auf die Verwaltung und Hebung des Instituts unmittelbar einen bedeutenderen Einfluß auch nie außgeübt, [719] so nahm dasselbe doch unter seinem Direktorate einen erfreulichen Aufschwung. Es war ein glückliches Zusammentreffen für die weitere Entwicklung des Gartens, daß der jugendlich-rüstige Garteninspektor Otto, der mit seltener Begeisterung für sein Amt wirkte, in L. einen wohlwollenden, seine Absichten fördernden Vorgesetzten erhielt. Von allen Seiten strömten damals durch deutsche Reisende in den verschiedenen Erdtheilen gesammelte Pflanzenschätze dem Garten zu. Daneben entwickelte sich ein lebhafter Samenaustausch mit den größten botanischen Instituten, so daß der Berliner Garten, nach des Vicedirektors Kunth Ausspruch, als der reichste in ganz Europa dastand. Von direkterem Einfluß war L. auf das königliche Herbarium, das, zuerst in innigem Connex mit dem Garten, später auch räumlich von demselben getrennt wurde. Durch den auf Link’s Anregung staatlicherseits erfolgten Ankauf des großen Willdenow’schen Herbariums, durch das von ihm aus bereits vorhandenen Sammlungen ins Leben gerufene Generalherbar, durch die geplante Anlegung eines Gartenherbariums und die Sorge um die Anstellung besonderer Beamten, ist L. als der Begründer des Berliner Herbariums anzusehen. Er führte die Leitung desselben von 1819–1851 und trat für die Weiterentwicklung des Instituts nicht selten in uneigennütziger Weise mit seinen eignen Geldmitteln ein, wenn diejenigen des Staates nicht ausreichten. Nach seinem Tode wurden auch seine eignen, nicht unbedeutenden Sammlungen dem Herbarium einverleibt, wodurch das letztere besonders an europäischen Pflanzen sehr bereichert wurde. Diese Pflanzen entstammen den ausgedehnten Reisen, welche L. nach den verschiedensten Gegenden Europas unternommen. Sie erstreckten sich, chronologisch geordnet, auf Portugal, Schweden, Tirol, Griechenland, Istrien, Neapel, Pisa, Mailand, Venedig, Corsika, Belgien, Süddeutschland, Frankreich und Spanien. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte ihn noch ernstlich der Plan zu einer Reise nach Ceylon, die aber unausgeführt blieb. Zahlreiche Aufsätze in der Linnaea (Bd. 9–20) entsprangen den auf jenen Reisen gesammelten unmittelbaren Eindrücken und Beobachtungen. Theils als Vorstudium zu den Reisen in die Länder des klassischen Alterthums, theils als Frucht aus diesen sind auch mehrere Abhandlungen über die Geschichte von Nutzpflanzen anzusehen, die auch für Philologen ein gewisses Interesse beanspruchen. Sie finden sich veröffentlicht in den Jahrgängen 1815, 1817 und 1819 der Abhandlungen der Berliner Akademie. Es bestätigen diese Arbeiten den polyhistorischen Charakter dieses hochbegabten Mannes und auch als Linguist zeigt sich der Naturforscher in der im Jahre 1842 publizirten Schrift: „Das Alterthum und der Uebergang zur neueren Zeit“, die nur als Fortsetzung einer älteren Arbeit: „Die Urwelt und das Alterthum, erläutert durch die Naturkunde“ (1820–22) anzusehen ist. Es sind Werke für ein größeres Publikum bestimmt, die über Entstehung und Wanderung der Gewächse, Heimath von Culturpflanzen und Hausthieren, Entwicklung des Menschengeschlechts und der menschlichen Sprache, über Poesie, Kunst und Sitten sich in geistreicher Dialektik und gewandter Darstellungsweise auslassen. Sie lassen vermuthen, daß ihr Verfasser auch im geselligen Umgang anziehend und anregend zu wirken müsse verstanden haben. Daß ein Geist von Links Beweglichkeit sich auch angetrieben fühlen mußte, die Fülle seines Wissens in seinen philosophischen Ueberzeugungen zu einem gewissen Zusammenhange und Abschlusse zu bringen, kann nur natürlich erscheinen. In der That finden sich auch philosophische Erörterungen bereits in einigen seiner frühsten Schriften niedergelegt; so in den „Annalen der Naturgeschichte“ vom Jahre 1791, wo der 24jährige Gelehrte, in dem Bemühen, sich für seine wissenschaftlichen Forschungen eine Methode zu sichern, den Werth der naturphilosophischen Hypothesen festzustellen trachtet. Fortgesetzt und erweitert werden [720] diese Gedanken in den kleinen Schriften: „Ueber Naturphilosophie“ (1806) und „Natur und Philosophie, ein Versuch“ (1811), wie sie auch in seinen späteren Darstellungen: „Propyläen der Naturkunde“ (1836 u. 1839) nur weiter ausgesponnen werden. Ueberhaupt erscheint es bemerkenswerth, daß L. trotz seiner großen Beweglichkeit und der Wandlungsfähigkeit seiner Ansichten über einzelne Naturobjekte, dennoch hinsichtlich seiner allgemeinen philosophischen Anschauungen sich im Wesentlichen gleich geblieben ist. Diese aber basiren auf der Kant’schen Philosophie, unter deren mächtigem Eindrucke L. seine wissenschaftliche Laufbahn begann. Er selbst äußerte sich gelegentlich einmal über seine Stellung zur Philosophie seinem Freunde v. Martius gegenüber, folgendermaßen: „nimmermehr habe ich es unternommen, mich in die Reihe der sogenannten Philosophen zu drängen; ich gehöre weder zu den Construirenden, noch zu den Deduzirenden; auch bin ich kein Schematiker. Ich lobe mir die gesunde Vernunft, die Mathematik in physicis und bin 50 Jahre lang den induktiven Weg gegangen.“ Mögen auch wol an der Stichhaltigkeit dieses letzteren Ausspruches Zweifel erlaubt sein, jedenfalls hat L. doch diese Methode der Forschung für die richtige gehalten und es finden sich diese Aeußerungen wieder in der letzten von seinen Schriften, die, wenige Wochen vor seinem Scheiden erschienen, von ihm selbst als sein litterarisches Testament bezeichnet wurde. Es ist dies die „Philosophie der gesunden Vernunft“ (1850). Hier räumt L. der Empirie einen bedeutenden Platz ein für die Erkenntniß der philosophischen Wahrheiten, will aber durch die gesunde Vernunft auch die festen Grenzen des Erkennens und Wissens festgestellt haben, über die auch die Spekulation nicht hinausgehen könne, sondern nur der Glaube und die religiöse Empfindung hinfortzuhelfen vermögen. Die gesunde Vernunft gestehe sehr bald, daß sie nicht wisse, wie sie zum Denken gekommen sei und überhaupt nicht wisse, wie das Dasein selbst entstehe und bestehe. Das ganze Werk athmet die ruhige Heiterkeit des Gemüths, welche L. sein ganzes Leben lang begleitet. Von äußeren Sorgen befreit, von heiter-sanguinischem Temperament, bewahrte sich L. bis in sein hohes Alter eine seltene Frische und Rüstigkeit des Geistes, deren Spuren auch noch in seinen letzten Geistesprodukten deutlich hervortreten.

v. Martius: „Denkrede auf H. F. Link", in d. Münchener Gelehrt. Anzeigen 1851. Nr. 59–69; ebendaselbst auch ein Verzeichniß sämmtl. Schriften Link’s.