ADB:Ludwig III. (ostfränkischer König)

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Artikel „Ludwig III.“ von Engelbert Mühlbacher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 446–451, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_III._(ostfr%C3%A4nkischer_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 12:07 Uhr UTC)
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Ludwig III., der zweite Sohn Ludwig des Deutschen, wird zuerst 848 genannt, als er ein Heer gegen die Böhmen führte. 854 entsandte ihn sein Vater nach Aquitanien zur Besitznahme des gegen Karl den Kahlen empörten Landes, das Unternehmen mißlang. 858, 862 zog er gegen die Abodriten, 869 gegen die Sorben. Bei der ersten Reichstheilung 865 wurde ihm als sein Antheil nach des Vaters Tod Ostfranken, Thüringen und Sachsen zugewiesen. Noch im selben Jahre kam es zwischen ihm und dem Vater zu hartem Streit, da er sich gegen dessen Willen mit der Tochter Adalhards verlobt hatte; die Vermählung unterblieb. Im nächsten Jahre versuchte er, weil er sich gegenüber seinem älteren Bruder Karlmann verkürzt glaubte, offenen Aufstand und trat mit Rastislaw von Mähren in Verbindung; das rasche Eingreifen des Vaters erstickte die Bewegung im Beginn. 871 empörte er sich wieder mit seinem jüngeren Bruder Karl auf das Gerücht, daß das Erbe ihres älteren Bruders auf Kosten ihrer Reichsantheile vergrößert werden solle; als die zugesagten Lehen ihnen nicht sogleich ausgefolgt wurden, wandten sich beide an die Vermittlung ihres westfränkischen Oheims; die durch das falsche Gerücht vom Tod Kaiser Ludwig II. eröffnete Aussicht auf Italien führte sie wieder zum Vater zurück. Zu Beginn des Jahres 872 erfolgte auch eine förmliche Aussöhnung mit ihrem beneideten älteren Bruder, doch L. weigerte sich mit demselben gegen Mähren zu Felde zu ziehen. Der Hader um das künftige Erbe wurde durch genaue Bestimmungen über die Reichstheilung, die jetzt wol auch die 870 aus Lothars II. Reich erworbenen Lande einbezog, beigelegt. 873 planten die beiden jüngeren Söhne wieder die Entthronung und Einkerkerung des Vaters; Karl, in seiner Beschränktheit und Schwäche wol nur Ludwigs Werkzeug, enthüllte, von Gewissensbissen gefoltert, die Anschläge. Der Vater begnügte sich für L. mit einer Rüge, gewährte aber beiden eine gewisse Antheilnahme an Regierungsgeschäften. 875 begleitete L. seinen Vater auf der Heerfahrt gegen Westfrancien. Als Ludwig der Deutsche am 28. August 876 starb, drohte der um das italienische Erbe entbrannte Streit in offenen Krieg auszubrechen. Der Tod des Königs befreite den westfränkischen Herrscher nicht nur von der drohenden Gefahr, er weckte auch seine nimmersatte Ländergier. Die Aussichten waren günstig: das starke ostfränkische Reich war in drei Theilreiche zerfallen, Karlmann durch die Kämpfe mit den Mährern in Anspruch genommen, der jüngste Bruder weilte in Schwaben. So hoffte Karl die Hälfte des Reichs Lothars II., die er 870 an seinen Bruder hatte abtreten müssen, leicht erobern zu können; er faßte, „wie das Gerücht ging“, sogar den Plan, Mainz, Worms und Speier seinem Reich anzueignen und die Grenze an den Rhein vorzuschieben. Ursprünglich hatte er die Absicht, in Metz die Huldigung der lothringischen Bischöfe und der Großen, die er durch Versprechungen und Drohungen abtrünnig zu machen strebte, entgegenzunehmen, änderte aber dieselbe und zog, begleitet von den päpstlichen Legaten, mit einem bedeutenden Heere verwüstend nach Aachen und dann nach Köln. Er entsandte Boten an die Großen Ludwigs, um sie zum Abfall von ihrem König zu bewegen. L. hatte mit schnell zusammengerafften Streitkräften ein Lager am andern Ufer des Rheins bezogen. Er ordnete Gesandte an seinen Oheim ab und ließ ihn mit Berufung auf die zwischen ihm und dem Vater beschworenen Verträge auffordern das Land zu räumen. Doch Karl antwortete, daß er mit [447] seinem Bruder, nicht mit seinen Neffen die Verträge abgeschlossen habe, und die Westfranken verspotteten ihre Gegner, welche durch Fasten und Bittgesänge den Segen des Himmels auf ihre Waffen herabriefen. Um den Muth der Seinen und den Glauben an seine Sache zu heben, bestimmte L. je 10 seiner Mannen, durch das Gottesurtheil des heißen und kalten Wassers und des heißen Eisens sein Recht auf den von seinem Vater überkommenen Theil Lothringens zu erweisen; das Gottesurtheil fiel zu seinen Gunsten aus. Er zog Nachts heimlich ab, setzte über den Rhein und nahm bei Andernach Stellung. Auf die Kunde davon brach auch Karl auf und rückte stromaufwärts. Er schickte Gesandte voraus, um seinem Neffen vorzuschlagen, daß ihre Räthe zu Friedensverhandlungen zusammentreten sollten. L. ordnete Bevollmächtigte ab und vertraute der damit gegebenen Waffenruhe; ein Theil seines Heeres zerstreute sich in der Umgegend zur Fouragirung. Treulos wie immer dachte Karl seinen unvorbereiteten Gegner überfallen und vernichten zu können. Vergeblich mahnte ihn der Erzbischof Willibert von Köln von diesem Friedensbruche ab; als seine Worte nichts fruchteten, schickte er den Priester Hartwig auf dem kürzesten Wege zu L. voraus und ließ ihn warnen. Unter strömendem Regen marschirte das westfränkische Heer auf schlechtem Wege in der Nacht vom 7. auf den 8. October vorwärts. Es fand den Feind gerüstet, der Ueberfall war mißlungen. L. hatte den Befehl gegeben, daß die Seinen, um sich einander kenntlich zu machen, weiße Kittel anlegten. Die zum Fouragiren zerstreuten Schaaren zurückzurufen war nicht mehr möglich. Als Karls Heer – nach Regino soll es 50,000 Mann gezählt haben – ermüdet von dem anstrengenden Nachtmarsch anrückte, ließ er sogleich angreifen. Das Vordertreffen der Sachsen begann vor der Uebermacht zu weichen, da rückten die festgeschlossenen Reihen der Ostfranken vor; „wie das über die Stoppeln fliegende Feuer in einem Augenblick alles verzehrt, so zermalmten sie den Feind, warfen ihn zu Boden.“ Karls Bannerträger, der Graf Reginar, fiel beim ersten Zusammenstoß, das Heer löste sich in wilde Flucht auf. Vor Allem brachte der feige Kaiser sich in Sicherheit. Die kräftige Verfolgung vollendete die Niederlage. Der große Troß von Krämern und Schildhändlern sperrte den Fliehenden die engen Wege. Sehr viele und hohe Gefangene, ungeheure Beute, „alles, was die Räuber, die mit Karl waren, hatten“, die Schätze des Kaisers, alle Saumthiere, die Waaren der Krämer fielen den Siegern in die Hände. Andere, denen es geglückt war zu entkommen, wurden von den erbitterten Bauern vollständig ausgeplündert. Den Zeitgenossen erschien die Schlacht bei Andernach als gerechtes Strafgericht über „den neuen Sanherib“. Es war die erste Schlacht, welche zwischen den Deutschen und ihren westlichen Nachbarn um die Rheingrenze geschlagen wurde. Während Karl in eiliger Flucht über Lüttich in sein Reich zurückkehrte, zog L. nach Aachen und nach dreitägigem Aufenthalt nach Koblenz, wo sein jüngerer Bruder Karl sich einfand. Im November trafen sich die drei Brüder im Rießgau, theilten das väterliche Reich unter sich und schwuren sich in deutscher Sprache gegenseitige Treue. Die Reichstheilung war nur die Ausführung der von ihrem Vater 865 und 872 getroffenen Bestimmungen, welche L. Ostfranken, Thüringen und Sachsen zugewiesen hatten. Das lothringische Erbe wurde in die Theilung noch nicht einbezogen, noch hofften sie dazu Italien zu erwerben. Im Januar 877 hielt L. eine allgemeine Reichsversammlung in Frankfurt und gab die bei Andernach gemachten Gefangenen frei. Ein Empörungsversuch der Linonen und der benachbarten Sufler, welche den gewohnten Zins zu zahlen sich weigerten, wurde durch die entsandten Streitkräfte im Entstehen unterdrückt. Hatte der westfränkische Kaiser, der sich noch genöthigt gesehen hatte die zu ihm abgefallenen Lothringer zu entschädigen, auch seine Eroberungsgelüste aufgegeben, so kam es doch zu keinem förmlichen Friedensschluß; [448] bevor er nach Italien ging, berührten die Verfügungen von Quierzy (Juni 877) auch die Vertheidigungsmaßregeln bei einem etwaigen Angriff seiner Neffen. Wo er es am wenigsten erwartet hatte, in Italien trat ihm einer derselben entgegen; auf der Flucht vor Karlmann starb Karl am 6. October 877. Sein Sohn und Nachfolger, Ludwig der Stammler, suchte dem gefährdeten Reich Ruhe zu schaffen und ordnete eine Friedensgesandtschaft an L. ab, bemüht „seine Unschuld an Allem, was sein Vater gegen ihn gethan hatte, darzulegen“. L. nahm dieselbe günstig auf. Er hatte eben mit seinen beiden Brüdern das lothringische Erbe gleichmäßig getheilt und ging nun nach Aachen, der Residenz des ihm zugefallenen nördlichen Antheils. Im Januar 878 kehrte er wieder nach Frankfurt zurück, um mit seinen Getreuen Berathung zu pflegen. Karlmann war schwer erkrankt aus Italien zurückgekommen und trat nun als Entschädigung für Italien, das er für sich allein behalten wollte, seinen Antheil am lothringischen Erbe den beiden jüngeren Brüdern ab. Auf einem Reichstag zu Frankfurt (Mai 878) verständigte sich L. mit seinem jüngeren Bruder durch Gesandte und theilte mit ihm das von Karlmann abgetretene Gebiet. Seine Aufmerksamkeit war auf die Entwicklung der Verhältnisse im Westreich und in Italien gerichtet. Papst Johann VIII. war, auf äußerste vom Herzog Lambert von Spoleto und dem Markgrafen Adalbert von Tuscien bedrängt, nach Westfrancien gekommen; er wollte zuerst auch die Söhne Ludwig des Deutschen zur Hilfeleistung auffordern, doch sie konnten sich nur ablehnend zu den Wünschen des eifrigen Bundesgenossen Karl des Kahlen verhalten; auch keiner der ostfränkischen Bischöfe erschien auf der vom Papst versammelten Synode in Troyes. Kaum hatte der Papst, geleitet von Boso, den er an Kindesstatt angenommen, sich auf den Rückweg begeben, als die von dem westfränkischen König eingeleiteten Friedensverhandlungen in Fluß kamen; L. wollte wol eine Einmengung des Papstes fern halten. Unweit Meersen trafen sich die beiden Könige. Am 1. November 878 wurde mit Zustimmung ihrer Getreuen der Vertrag von Fouron (bei Visé) abgeschlossen. Die öffentliche Erklärung des westfränkischen Königs betonte die Aufrechterhaltung der 870 zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen vereinbarten Theilung des Reiches Lothars, Rückgabe der etwa von einem Westfranken widerrechtlich angeeigneten Güter in Lothringen und behielt unter Wahrung der Ansprüche auf „seinen“ Antheil Italiens die Verhandlungen über das von Kaiser Ludwig II. besessene Reich, „weil noch keine Theilung erfolgt sei“, späterer Vereinbarung vor. Der Vertrag selbst bestimmte Wahrung der Freundschaft und des treuen Bündnisses bis zu ihrer nächsten Zusammenkunft, gegenseitigen Beistand gegen die Normannen und Friedensbrecher, Schutz der Erbrechte ihrer Söhne, Fernhaltung der den Frieden gefährdenden Zwischenträger, Abordnung von Gesandten an Karlmann und Karl, um sie zu der für den 6. Februar 879 anberaumten Zusammenkunft, die auch im Falle der Ablehnung stattfinden sollte, und zum Beitritt zu diesem Bündniß dringend einzuladen, Achtung des Kirchenguts, Maßregeln gegen die Ruhestörer und gerichtlichen Entscheid bei Klagen über ungerechte Einziehung des Eigenguts. Mit warmen Worten bekräftigt L. in einem bald darauf erlassenen Schreiben dieses Bündniß und die ungetrübte Fortdauer ihres freundschaftlichen Verhältnisses.

L. feierte Weihnachten zu Forchheim und ging zu Beginn des Jahres 879 nach Baiern zum Besuch seines Bruders Karlmann, dessen Krankheit sich verschlimmert und dem die Lähmung bereits die Sprache geraubt hatte. Er sicherte sich die Nachfolge in dessen Reich: die Großen gelobten, daß sie nach Karlmanns Ableben nur ihn als König anerkennen würden. Aber auch im Westen schienen sich ihm Aussichten auf neuen Erwerb zu eröffnen. Am 10. April war Ludwig der Stammler gestorben. Ehe einer der beiden noch im jugendlichen Alter [449] stehenden Söhne auf den Thron erhoben worden war, langten Gesandte bei L. in Frankfurt ein mit der Aufforderung, zur Besitznahme des Westreichs nach Metz zu kommen; sie waren von Abt Gauzlin, der, einst Kanzleivorstand Karl des Kahlen, jetzt über „die von seinen Nebenbuhlern erlittenen Nachstellungen und Unbilden“ erbittert und, seit er als Gefangener nach der Schlacht von Andernach am Hofe Ludwigs und seiner Gemahlin Liutgard, einer Schwester des sächsischen Grafen Bruno, geweilt hatte, mit diesen befreundet war, und dem von Gauzlin durch große Versprechungen gewonnenen Grafen Konrad von Paris abgeordnet worden. L. folgte ohne Zaudern diesem Ruf und rückte mit einem Heer nach Metz. Hier traf ihn wieder eine Botschaft seiner Parteigänger, er möge zu ihnen nach Verdun kommen, um die Huldigung entgegenzunehmen. Er zog nach Verdun, sein Heer hauste ärger als die Normannen und plünderte die Stadt, weil die Einwohner, wie der Fuldaer Annalist entschuldigend bemerkt, zu hohe Preise für die Lebensmittel forderten. Da ließen ihm die Anhänger der jungen Prinzen den Theil des Reichs Lothars, welcher Karl dem Kahlen im Meersener Vertrag zugefallen war, anbieten, wenn er zurückkehren und den Prinzen den Rest ihres väterlichen Erbes überlassen würde. L. nahm das Anerbieten an und zog ab, ohne sich um das Schicksal seiner Parteigänger zu kümmern. Die Länder jenseits der Maas ließ er durch Getreue in Besitz nehmen. Nach dem Bericht des westfränkischen Annalisten soll ihn seine ehrgeizige Gemahlin in Frankfurt mit harten Vorwürfen empfangen und ihm gesagt haben, daß er, wenn sie mit ihm gewesen wäre, nun Herr des ganzen Westreichs wäre. Seine preisgegebenen Parteigänger, Abt Gauzlin und Graf Konrad, flüchteten zur Königin und klagten, daß sie betrogen worden seien. Sie erreichten ihren Zweck; in Begleitung von Bevollmächtigten und Bürgen des Königs kehrten sie zurück, überall, wohin sie kamen, Raub und Verwüstung tragend, und kündigten ihren Genossen an, L. sei jetzt nur durch die Nachricht, daß sein Bruder Karlmann dem Tode nahe sei und daß dessen außerehelicher Sohn Arnolf einen Theil des Reiches an sich gerissen habe, nach Baiern gerufen worden und werde baldmöglichst mit einem großen Heer erscheinen. Um dieser neuen Gefahr zu begegnen, beeilten sich die Anhänger der westfränkischen Prinzen beide zu Königen zu krönen und salben zu lassen. L. war in der That nach Baiern gezogen, als der bairische Graf Ercambert und andere vor ihm Klage geführt hatten, daß Arnolf „wegen einer Mißhelligkeit zwischen seinem Vater Karlmann und ihnen“ sie ihrer Aemter und Lehen entsetzt und aus dem Reich vertrieben habe. L. gab seinen Anhängern die entzogenen Aemter und Lehen zurück, erregte aber dadurch den Unwillen der Getreuen Karlmanns, die diesen eigenmächtigen Eingriff als eine Verletzung des Vertrags im Rieß erklärten. Der Fuldaer Annalist ist bemüht diesen Vorwurf durch den Hinweis zu entkräften, daß Karlmann, weil er Italien nicht getheilt, seinen damals geleisteten Eid gebrochen und damit auch den Bruder seines Schwures entbunden habe. Karlmann, außer Stande Ludwigs Eigenmächtigkeit zu hindern, ließ ihn zu sich berufen und empfahl, da er nicht mehr sprechen konnte, schriftlich sich selbst, seine Gemahlin, seinen Sohn und sein Reich dessen Schutz. L. wies ihm reichlichen Unterhalt an und übernahm die Regierung. Etwa um dieselbe Zeit zog sein jüngerer Bruder Karl auf Einladung des Papstes über die Alpen, um mit leichtem Erfolg Italien in Besitz zu nehmen. Während L. in Baiern weilte, traf ihn ein schweres Unglück, sein einziger Sohn aus der Ehe mit Liutgard, noch ein Kind, stürzte, wahrscheinlich in Frankfurt, aus einem Fenster der Pfalz und brach das Genick. Es war der einzige eheliche Sprosse des ostfränkischen Hauses. Zu Beginn des Jahres 880 nahm L. seinen Eroberungsplan gegen Westfranken wieder auf. Er zog diesmal in Begleitung [450] seiner Gemahlin von Aachen nach Douzy, wo Gauzlin und Konrad mit ihrem stark gelichteten Anhang sich anschlossen und von da über Attigny bis Ribemont (an der Oise). Seine Parteigänger vermochten die auf ihre Unterstützung gesetzten Hoffnungen nicht zu erfüllen, bei St. Quentin lagerte Abt Hugo von Tours mit einem ansehnlichen Heer, bereit für die jungen Könige in den Kampf einzutreten. Der einflußreiche Erzbischof Hinkmar von Rheims lehnte es ab mit seinen Bischöfen vor ihm zu erscheinen, in der Provence hatte Boso sich ein selbständiges Reich geschaffen und im Vorjahr sich zum König krönen lassen. So verstand sich L. im Februar zum Frieden. Derselbe sicherte den im Vorjahr angefallenen Gebietszuwachs, die westfränkischen Könige verzichteten nun auch ihrerseits auf die Westhälfte Lothringens und nahmen die abtrünnigen Großen wieder in Gnaden auf; für den Juni wurde eine Zusammenkunft in Gondreville vereinbart. Auf dem Rückweg stieß L. bei Thuin an der Sambre auf „eine unzählbare Menge“ Normannen, die eben beutebeladen zu ihrer Flotte zurückkehrten; er griff sie sogleich an, der größte Theil derselben (nach den Fuldaer Jahrbüchern über 5000) wurde niedergemacht, die übrigen flohen und suchten sich in dem Fiscalgut Thuin zu vertheidigen; dort fiel Hugo, ein außerehelicher Sohn Ludwigs, ein schöner, muthiger Jüngling, schwer verwundet in ihre Hände und hauchte bald sein Leben aus; in dem Glauben, daß sein Sohn noch lebe, gebot L. der Verfolgung Einhalt, um seine Auslieferung zu erwirken; die einbrechende Nacht zwang ihn ins Lager zurückzukehren und in ihrem Dunkel entkamen die Normannen zu ihren Schiffen. Am nächsten Morgen fand der König die Leiche seines Sohnes; er ließ sie nach Lorsch überführen und dort beisetzen. Um so unglücklicher hatten am 2. Februar die Sachsen bei Hamburg gegen die Normannen gekämpft; sie erlitten eine vollständige Niederlage, zwei Bischöfe, 12 Grafen, darunter Bruno, der Schwager des Königs, und 18 königliche Vasallen fielen mit ihren Mannen, noch mehr geriethen in Gefangenschaft, die dänische Mark jenseits der Elbe war verloren. Auf die Kunde von dieser Niederlage erhoben sich auch die slavischen Grenzvölker, die Daleminzier, Böhmen und Sorben; gegen Thüringen vordringend fielen sie plündernd in das Land der Slaven an der Saale ein, doch der Graf der Sorbenmark, Poppo, vernichtete diese Schaaren, so daß kein einziger davon übrig geblieben sein soll. Am 22. September erlag Karlmann seinem langwierigen Siechthum. Auf die Kunde davon ging L., wie Regino meldet, nach Baiern, um sich huldigen zu lassen, und verlieh Karlmanns außerehelichem Sohn Arnolf die karantanische Mark. Zu der mit den westfränkischen Königen vereinbarten Zusammenkunft war L., durch Krankheit verhindert, nicht erschienen, hatte aber, nachdem er mit seinen Getreuen zu Worms Berathung gepflogen, Gesandte abgeordnet. Dafür hatte sich sein Bruder Karl auf dem Rückweg von Italien dort eingefunden. In Gondreville wurde beschlossen gegen die Freibeuterschaaren Hugos, des Sohnes Lothars II. und Waldradas, den L. schon im Vorjahr aus einer Veste bei Verdun hatte vertreiben lassen, zu Felde zu ziehen und den Plünderungen ein Ende zu machen. Die deutschen Hilfstruppen unter den Grafen Heinrich und Adalhard vernichteten in einem blutigen Treffen den von Hugos Schwager Theutbald geführten Heerhaufen, Theutbald entkam nach Burgund, Hugo war nicht zu finden. Mit den westfränkischen Königen zogen die deutschen Hilfstruppen dann gegen Boso und halfen Mâcon erobern. Nur gegen die Normannen, welche nach einem Plünderungszug bis in die Gegend von Xanten sich in der von Karl dem Großen erbauten Pfalz zu Nimwegen zur Ueberwinterung festgesetzt hatten, griff L. selbst zu den Waffen; doch er vermochte sie nicht aus der stark befestigten Pfalz zu vertreiben, in einem der häufigen Gefechte wurde Graf Eberhard von Friesland von den Feinden gefangen, der ungewöhnlich rauhe Winter erschwerte die Belagerung. Da entschloß [451] sich L. zu einem Abkommen: er verpflichtete sich die Belagerung aufzuheben, wenn die Normannen sein Reich verlassen würden. Sie zogen zwar ab, steckten aber vorher die herrliche Pfalz in Brand.

Um Ostern 881 zog L. nach Lothringen, um dem Lande Ruhe zu schaffen. Er belehnte Hugo, der ihm huldigte, mit Abteien, darunter Lobbes, und Grafschaften unter der Bedingung, daß er ihm Treue wahre. Doch Hugo, von schlechten Berathern umgeben und bestrebt sich unabhängig zu machen, brach seinen Treueid; ein Heer des Königs verjagte ihn aus dem Lande, er floh nach Burgund. Nachdem L. mit dem westfränkischen König Ludwig in Gondreville eine „Unterredung“ gehabt hatte, ging er nach Baiern, wo er den Sommer über weilte. Unterdeß stieg die Normannennoth immer höher: in Ludwigs Reich hatten sie Cambray, Mastricht, Lüttich, den Haspengau, Ripuarien, die Klöster Prüm, Inden, Stablo und Malmedy geplündert, in Aachen die Pfalzkapelle zu einem Pferdestall entweiht, die Pfalz niedergebrannt, die Städte Köln und Bonn mit den Burgen in Zülpich, Jülich, Neuß eingeäschert. Jammernd flüchteten die, welche sich retten konnten, mit den zusammengerafften Habseligkeiten, die Geistlichen mit den Schätzen und Reliquien ihrer Kirchen nach Mainz. L. lag schwer krank in Frankfurt; er konnte nicht mehr zu Felde ziehen; er entsandte ein Heer. Seine Krankheit verschlimmerte sich, am 20. Januar 882 starb er; seine Leiche wurde in Lorsch neben dem Grab seines Vaters beigesetzt. Die Regierung Ludwigs war zu kurz, um Früchte reifen zu lassen; der glänzende Sieg bei Andernach, die wenn auch gewaltthätige Erwerbung der Westhälfte Lothringens sind ihre hervorragendsten Thaten. Tapfer und kriegskundig wäre er wol der Mann gewesen, die Normannengefahr zu beschwören und sein Reich vor dem furchtbaren Elend zu retten, das es unter seinem unfähigen Nachfolger, seinem Bruder Karl, erlitt.

Quellen: Die Jahrbücher von Fulda, welche ihre Stellung als ostfränkische Reichsannalen behaupten und Ludwigs Interesse vertreten, die westfränkischen Reichsannalen (von Hinkmar von Rheims), die Chronik des Regino; vereinzelte Nachrichten in den Jahrbüchern von St. Vaast; Bearbeitung in Dümmler’s Geschichte des ostfränkischen Reichs, 2. Bd.; Zusammenstellung des Materials in der nächsthin erscheinenden vierten Lieferung der neuen Bearbeitung von Böhmer’s Regesten der Karolinger.