ADB:Schad, Johann Baptist

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Artikel „Schad, Johann Baptist“ von Hugo Liepmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 493–494, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schad,_Johann_Baptist&oldid=- (Version vom 4. Mai 2024, 20:51 Uhr UTC)
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Schad: Joh. Bapt. S., geboren 1758 in Mürsbach (zwischen Coburg und Bamberg) als Sohn armer, streng katholischer Eltern. Der Vater gab dem formbaren Sinn des Knaben früh eine Richtung ins Mystische und erweckte bei ihm den heftigsten Haß gegen Andersgläubige, den, als vermeintlich göttliche Pflicht, der Knabe anfangs nur schwer seinem natürlichen Wohlwollen abkämpfen konnte. S. erzählt selbst, daß er infolge davon noch später, als er längst den Protestantismus hatte schätzen lernen, den Namen „Luther“ oder „Lutheraner“ nie ohne Abscheu habe nennen hören können. Früh für den geistlichen Stand bestimmt, wurde er mit noch nicht 10 Jahren im Benedictinerkloster Banz als Chorknabe untergebracht. Mit 14 Jahren begann er seine Studien in Bamberg unter Leitung von Jesuiten und deren Schülern. Sie wußten in dem begabten Zögling alle aufsteigende Neigung zu weltlichem Berufe zu ersticken und in ihm eine heiße Sehnsucht nach dem klösterlichen Stand zu entzünden. So trat er mit 20 Jahren als Noviz in das Kloster Banz. Bald sollte er hier die schwersten Enttäuschungen erfahren. An Stelle der geträumten Heiligkeit glaubte er hier, wie er in seiner nach dem Uebertritt zum Protestantismus geschriebenen Lebensgeschichte sehr drastisch und mit der, Renegaten eigenthümlichen, Animosität schildert, nur Heuchelei, Gewissenszwang, todten, verdummenden Formencult zu sehen. In qualvollen Gewissenskämpfen suchte sein anfangs so frommer und gläubiger Sinn die Bedenken, die gegen Lehre und Wandel der Brüder in ihm aufstiegen, niederzuzwingen. Da es ihm als Sünde hingestellt wurde, das von kirchlicher Autorität Decretirte auch nur zu prüfen, unterwarf er sich wegen der immer wiederkehrenden Zweifel der peinlichsten Buße. Aber er fand in dem mönchischen Mysticismus keine Ruhe. Endlich erlöste ihn aus einem an Verzweiflung grenzenden Zustande die Lectüre philosophischer Werke. Ließen schon die Popularphilosophen ihn zu der bis dahin für Teufelseingebung gehaltenen Stimme der Kritik Vertrauen gewinnen, so brachte vollends Kant Licht in seine Geistesnacht. Um 1788 hatte er innerlich die Fesseln des Mönchthums abgestreift und ist ein leidenschaftlicher Gegner des Klosterwesens geworden. In Volksschriften und dann in einer Apologie, als Antwort gegen die Angriffe, die er wegen seiner an Ketzerei streifenden Ansichten erfuhr, gab er seiner Ueberzeugung muthvollen Ausdruck. Schützte ihn auch die Gunst einiger Kirchenfürsten vor einem eigentlichen Proceß, so war er von nun an in Banz demüthigendster, seiner Angabe nach sogar unmenschlich roher, Behandlung ausgesetzt, um so mehr als seine innere Gesinnung sich in kleinen Verstößen gegen die Ordensregeln und in Auslassungen, welche seine Ordensbrüder reizen mußten, kundgab. Trotz fortwährender Reibereien blieb er noch ein Jahrzehnt im Kloster, schriftstellerischen Arbeiten hingegeben. Endlich drängte die Sorge für seine persönliche Sicherheit ihn dazu, den längst gehegten Wunsch, sich auch äußerlich dem Mönchsleben zu entziehen, zur Ausführung zu bringen. Als er nämlich als der anonyme Verfasser der Schrift: „Ueber Leben und Schicksale des ehrwürdigen Vater Sincerus“, einer unbarmherzigen Satire auf das [494] Klosterleben, erkannt wurde, erhob sich ein solcher Sturm gegen ihn, daß er Einkerkerung und schlimmste Ahndung befürchten mußte. Mit größter Mühe gelang es ihm, Nachts aus dem Kloster zu entfliehen. Er fand ein vorläufiges Unterkommen in Ebersdorf, wo ihn aber die Furcht vor den Verfolgern nicht ließ. Als sicherstes Mittel, deren Rache zu entgehen, entschloß er sich zum Uebertritt zum Protestantismus, dessen Lehre er auch besser mit seinen Ueberzeugungen in Einklang zu bringen wußte. Gleich wie einst Reinhold, der Kantianer, wurde er aus einem entsprungenen Mönch ein Professor der Philosophie. In letzterer bekannte er sich zu der Wendung, die Fichte dem Kantianismus gegeben hatte. Mit einer gemeinfaßlichen Darstellung von Fichte’s System führte er sich bei diesem in Jena ein. Nach Fichte’s Entfernung ließ er sich hier als Privatdocent nieder und lehrte, seit 1802 als Professor, dessen System mit vielem Erfolg. Später hat er sich mehr der Schelling’schen Lehre zugewandt. Seine materiell gebesserte Lage gestattete ihm eine Koburgerin, welche schon im Kloster seine Neigung besessen hatte, zu ehelichen. 1804 erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor nach der russischen Universität Charkow. Hier ging er nach dem Tode der ersten Frau eine zweite, nicht glückliche Ehe ein. 1816 wurde er plötzlich auf Grund anstößiger Stellen in seinen Schriften aus Russland ausgewiesen. Ueber die Grenze transportirt, kehrte er auf Umwegen nach Jena zurück. Von nun an ging es bergab mit ihm. Mittelbar hatte die Ausweisung, mit durch die Schuld der Frau, seinen völligen materiellen Ruin zur Folge. Armuth, eine schlechte Frau und die in Rußland angenommene Gewohnheit unmäßigen Genusses geistiger Getränke arbeiteten zusammen an Schad’s körperlichem und gesellschaftlichen Verfall. Er führte in Jena ein Leben fast wie ein griechischer Cyniker, welches der 1834 eintretende Tod beendete.

Von seinen zahlreichen Schriften erwähnen wir außer der eigenen „Lebensgeschichte“ (neue Aufl. 1828), in der er an den Bericht seiner Erlebnisse eine leidenschaftliche Bekämpfung des Katholicismus und insbesondere des Mönchthums knüpft: „Gemeinfaßl. Darstellung des Fichte’schen Systems“ u. s. w, 1800, „Geist der Philosophie unserer Zeit“ 1800 und aus der schellingianisirenden Periode „System der Natur- und Transcendental-Philosophie“ 1803.

S. außer der erwähnten eigenen Lebensgeschichte: Die gegen letztere gerichtete Erklärung des Klosters Banz in den „Theolog. Nachr.“ Rinteln 1803 V–VI, 57–66 und Neuer Nekrolog d. Deutschen Jhrgg. XII 1834.