ADB:Theoderich I.

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Artikel „Theoderich I.“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 692–694, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Theoderich_I.&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 20:19 Uhr UTC)
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Theoderich I., Westgothenkönig 419–451, Nachfolger Walja’s (a. 415 bis 419, siehe den Artikel), diesem nicht versippt. Die Geschichte der Gothen in dem „Reiche von Toulouse“ bis auf Eurich wird von einer zwiefachen Strömung bewegt: einerseits folgten diese Könige dem durch die zunehmende Bevölkerung gebotenen Drange, die Niederlassung über den ursprünglich (Ende a. 418) angewiesenen nur schmalen Landstreifen in Aquitanica secunda (und wenigen Nachbarstädten) auszudehnen nach Süden bis an den Rhone, nach Nordosten bis an die Loire, d. h. ihre von den Römern rings umschlossene Lage, zumal die Absperrung von dem Mittelmeer, zu durchbrechen, sich über das Roussillon und Périgord, die Saintonge und Aunis, das Augoumois und Poitou auszubreiten. Andererseits aber war damals das Westreich noch zu stark und zumal in Gallien zu tiefgründig gewurzelt, als daß die Gothen der Anlehnung an Rom gegenüber den andern Germanen im Lande hätten entrathen oder gar in Feindschaft gegen Rom sich dauernd hier hätten behaupten können. Für jene Ausbreitungsversuche mußten also immer Augenblicke römischer Verlegenheiten und gallischer Parteiwirren abgewartet werden: alsdann griffen die Gothen zu. Allein das gemeinsame Interesse der Römer und der Gothen gegen gemeinsame Feinde und die Unmöglichkeit, die gothische oder die römische Machtstellung in Gallien ganz zu beseitigen, führten nach jedem solchen gothischen Versuch, mochte er gelungen oder fehlgeschlagen sein, stets bald wieder zur Versöhnung: – zurück gaben aber die Gothen fast niemals mehr die Scholle, deren sie einmal Meister geworden: – das „Foedus“ wurde immer wieder hergestellt und die Gothen fochten wieder gegen die Feinde Roms, deren Besiegung doch zuletzt nicht Rom, sondern den Gothen – und schließlich den Franken! – zu Gute kommen sollte. In dieser Beleuchtung sind die so häufig wechselnden Verhältnisse aufzufassen.

So unterstützten Hilfstruppen Theoderich’s a. 422 die Römer in Spanien gegen die Vandalen. Als aber (a. 423) Aëtius gegen Valentinian III. sich empörte, ergriff Th. die Waffen scheinbar für den Imperator, gewann aber in Wahrheit zu eigenem Vortheil einige Städte in seiner Südgrenze und griff bereits nach dem [693] wichtigen Arles (a. 423). Aber Aëtius, zu Valentinian zurückgetreten, entsetzte die Stadt und schlug die Belagerer empfindlich (a. 426). Schon 427 kämpften nach erneuertem Födus die Gothen wieder in Spanien für die Römer gegen die Vandalen: doch a. 429 mußte Aëtius abermals Arles gegen Th. zu Hilfe ziehen. In dem Kampfe zwischen den beiden Feldherrn Bonifacius und Aëtius (a. 436) stand Th. auf Seite des ersteren, ward aber 437 bei einem Angriff auf Narbonne (a. 437) von letzterem schwer geschlagen und nur durch die Unvorsichtigkeit eines andern römischen Feldherrn, Litorius, gerettet, der sich durch einen Ausfall aus der stark bedrängten Hauptstadt Toulouse schlagen ließ. Die kirchlichen Quellen erklären den Sieg über den heidnischen Litorius aus der Frömmigkeit des (obzwar arianischen) Christen Th. Nur mit Mühe ward damals der Sieger zur Erneuerung des Födus mit Rom bewogen, der zwar a. 446 für Rom gegen die Sueben in Spanien focht, bald aber deren mächtig aufstrebendem König Rekiar seine Tochter vermählte und Hülfstruppen gegen die Römer sandte; eine andere Tochter gab er dem Sohne des Vandalen Geiserich in Afrika; als ihm diese aber auf bloßen Verdacht hin grausam verstümmelt zurück gesandt wurde, sah er sich doch wieder auf die Römer angewiesen. Nicht romanhafte persönliche Beweggründe waren es, – Geiserich soll, um die Rache Theoderich’s abzuwenden, Attila auf Gallien gehetzt haben! – sondern weltgeschichtliche treibende Kräfte, die den Hunnen dann zu seinem Angriff auf das Westreich führten und Th. die Parteinahme für dieses aufnöthigten: der alte Gegner Aëtius selbst war es, der das die Bildung Europa’s, alles Römische, Germanische, Christliche rettende Bündniß abschloß und Th. von dem thörichten Plan abbrachte, die ungezählten Reiterschwärme der Mongolen ganz Gallien überfluthen zu lassen und ihren Anprall erst hinter der schmalen Deckungslinie der Garonne abzuwarten. Endlich willigte er ein mit den Römern und deren andern Verbündeten (Alanen um Orléans, Burgunder, Sachsen und salische Franken, – die rechtsrheinischen und wohl auch die Uferfranken um Köln waren von den Hunnen zur Heerfolge gezwungen – sarmatische Söldner, keltische Bretonen und rhätische Breonen) dem Feind gen Nordosten entgegenzuziehen. Attila riß außer seinen Hunnen Ostgothen, Gepiden, Rugier, Skiren, Thüringe, Bukterer und Franken mit sich fort: in der Schlacht[WS 1] auf den „mauriacensischen (richtiger als „catalaunischen“) Feldern“, fünf römische Meilen von Troyes, ward der Sieg erkämpft durch das Bündniß römischer Feldherrnschaft des Aëtius und germanischen Heldenthums der volkreichen Westgothen. Diese rächten mit Ingrimm den Tod ihres greisen Königs, der, die Seinen zum Angriff führend, im Vorderkampf des Reitertreffens fiel. Auf dem Schlachtfeld noch wählte das Volksheer seinen tapfern Sohn Thorismund (s. den Artikel) zum Nachfolger.

Quellen: Hydatius Lemicus Chronicon ed. Th. Mommsen, Monumenta Germaniae historica. Chronic. II. 1892. – Isidorus Hispalensis, ebenda. – Apollinaris Sidonius, ed. Lütjohann, ebenda Auctores antiquissimi VIII. 1887 (VII, 1, 6. VIII 3, 1), – Chronicon Prosperi (sogenanntes) ed. Mommsen l. c. – Jordanis Getica c. 33 seq. ed. Mommsen l. c. Auctores antiquissimi V. 1. 1882. – Merobaudes ed. Bekker (2. Ausgabe) 1836. – Rutilius Namatianus, carmen de reditu suo ed. Lucian Müller 1870 (ed. Alfred de Reumont [Itasius Lemniacus] 1872). – Salvianus, de gubernatione Dei ed. Halm, Mon. Germ. hist. auctores antiquissimi I, 1. 1877. – Gregorius Turonensis, de gloria martyrum, ed. Krusch, Mon. hist. Scriptores rerum merovingicarum I, 2, 1885, historia ecclesiastica Francorum ed. Arndt et Krusch, ebenda I, 1, 1884 (II, 11). – Orientii commonitorium ed. Migne, Cursus patrologiae LXI.Acta sanct. Anian. I und II ed. Du Chesne I s. 54 (die Acta St. Orientii sind ein spätes Fabelgewebe).
[694] Litteratur: Siehe dieselbe ausführlich bei Dahn, Könige V (1870) [S. 71 über Oertlichkeit und Zeit der Hunnenschlacht]. Litteratur nach 1870, König VII, 1. 1894 p. XI seq.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schacht