ADB:Weigel, Erhard

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Artikel „Weigel, Erhard“ von Robert Knott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 465–469, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weigel,_Erhard&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 03:16 Uhr UTC)
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Weigel: Erhard W., geboren 1625 in der Stadt Weiden an der Nab (das Geburtsdatum ist nicht bekannt; in dem Taufregister der Stadt findet sich nur die Notiz: Erhartus, Michel Weigels und Anna seiner ehelich Hausfrauen ist getauft worden 16. December a. d. 1625. Gevatter Erhartus Lang). Seine Eltern verließen 1628 um ihrer Religion willen ihr Vaterland und ließen sich in Wunsiedel nieder, das damals brandenburgisch war. Hier besuchte der junge Erhard zunächst die Stadtschule, später das Gymnasium; auch ließ ihm sein Vater privatim Unterricht, vornehmlich im Rechnen, ertheilen, denn man hatte damals auf dem Gymnasium oft nicht Gelegenheit das Einmaleins zu lernen. Nebenbei widmete er sich noch musikalischen Studien. 1636 starb Weigel’s Vater ohne Vermögen zu hinterlassen. So wurde der elfjährige Knabe bereits darauf angewiesen einen großen Theil seines Lebensunterhaltes sich selbst zu erwerben. Er that dies, indem er die Kinder der angesehenen Familien im Rechnen und Schreiben unterrichtete, sowie gegen Bezahlung für Andere Briefe schrieb und copirte. Durch derartige Beschäftigungen gelang es ihm nicht nur sich allmählich vollständig selbst zu unterhalten, sondern er vermochte sogar noch so viel Geld zu ersparen, daß er 1644 nach Halle gehen konnte, um das dortige Gymnasium zur Vollendung seiner vorbereitenden Studien für die Hochschule zu besuchen. In Halle kam er in nähere Berührung mit Bartholomaeus Schimpfer, „welcher ein berühmter Astronomus war“, sich aber des einträglicheren Geschäftes wegen vornehmlich mit Astrologie befaßte; dieser gestattete W. nicht nur die Benutzung seiner Bücher, Instrumente und Landkarten, sondern unterwies ihn auch in der Mathematik; er übertrug ihm ferner das Abschreiben der astrologischen „Indicia“. 1645. begab W. sich zu einem kurzen Ferienaufenhalt nach Wunsiedel; hier förderte ihn der Archidiakonus Johannes Elrode in der Mathematik und Astrologie soweit, daß ihm Schimpfer nach seiner Rückkehr nach Halle das ganze astrologische Geschäft mitsammt dem [466] Kalendermachen übertrug. Dadurch aber wurde W. in weiteren Kreisen bekannt, sodaß ihn, der eine Universität noch nicht bezogen hatte, bereits Studenten aus Leipzig aufzusuchen pflegten, um sich von ihm in der Mathematik unterweisen zu lassen. Durch diese Lehrthätigkeit verschaffte er sich allmählich die Mittel, selbst die Universität Leipzig beziehen zu können, um hier Mathematik zu studiren. Das wird freilich nach dem, was wir von dem damaligen Stande dieser Wissenschaft in Deutschland wissen, dürftig genug gewesen sein. Eigentliche Mathematik hörte er wahrscheinlich gar nicht; denn als Leibnitz in Leipzig studirte, wurde nur Euklid vorgetragen, den W. sicherlich bereits verstand und jedenfalls ebenso gut lehren konnte, wie einer seiner deutschen Zeitgenossen. Werthvoll wurde in Leipzig für ihn besonders seine Bekanntschaft mit dem damaligen Commandanten der Festung Pleißenburg, dem Obristen Titel, der ihm den freien Gebrauch seiner kostbaren Instrumente und seiner reichhaltigen Bibliothek gestattete. 1650 promovirte W. zum Magister der Philosophie und begann alsbald Vorlesungen zu halten; rasch verbreitete sich von dieser Zeit an sein Ruhm, sowol durch die große Zahl der Zuhörer, die er zu fesseln wußte, wie durch zahlreiche Schriften, die er veröffentlichte. So kam es, daß, als im J. 1652 der Professor der Mathematik zu Jena Heinrich Hofmann gestorben war, Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar im folgenden Jahre W. als dessen Nachfolger nach Jena berief. Ungewöhnlich zahlreich wurde alsbald die Zuhörerschaft des erst 28jährigen Professors; von allen Seiten kamen junge Männer herbei um bei ihm zu hören, unter ihnen Pufendorf und Leibniz. Vom Herzog, den er privatissime in der Astronomie unterrichtete, erhielt er den Titel eines Hofmathematicus, und von dessen Sohn, Herzog Bernhard, wurde er zum Oberbaudirector ernannt. Wiederholt bekleidete W. die höchsten Verwaltungs- und Ehrenstellen an der Universität; das Rectorat wurde ihm drei Mal übertragen. 1688 wurde er zum Kaiserlichen und Pfalz-Sulzbachschen Rath ernannt. Er war verheirathet mit Elisabeth Bayer, verwittweten Hartmann, aus welcher Ehe zwei Töchter entsprossen, von denen die eine bald nach der Geburt starb, die andere, später verehelichte Spieß, eine Tochter hinterließ, die Weigel’s Nachfolger auf seinem Lehrstuhl, den Professor Georg Albrecht Hamberger, heirathete. Am 21. März 1699 starb W. zu Jena in einem Alter von 74 Jahren.

Die Bedeutung des Mannes beruht nicht so sehr auf einer gewissen Originalität oder Tiefe des Wissens, als vielmehr auf seiner Vielseitigkeit und Fähigkeit durch Wort, Schrift und That anregend zu wirken. Seinen Universitätsvorlesungen wird Anschaulichkeit und Lebendigkeit nachgerühmt; dabei kam ihm in seinen Sonderfächern, Mathematik, Astronomie, Physik, die Gabe gut zeichnen und experimentiren zu können wesentlich zu Hülfe. Sein Drang, sich auf den verschiedensten Gebieten zu bethätigen, brachte ihn wiederholentlich in Conflict mit Mitgliedern anderer Facultäten, so mit denen der theologischen, „weil er das mysterium trinitatis aus den principiis geometricis zu demonstriren sich unterfangen“; ebenso erklärte die rein philosophische Facultät ihn in ihrem Collegio nicht dulden zu können, weil er in seiner „Analysis Aristotelica Euclidea“ „alle disciplinas philosophicas seinem Gefallen nach zu reformiren und den Statuten zuwider auf ganz neue Art zu lehren angefangen, welches bei der studirenden Jugend große Confusion erwecket und viel andere Inconvenientien nach sich zog“, allerdings ein schweres Verbrechen zu einer Zeit, wo der Universitätsprofessor angestellt wurde lediglich zum Zweck des „tradere“.

Ungemein fruchtbar erwies sich W. auch auf littetarischem Gebiet; nicht weniger als 104 größere oder kleinere Schriften kennen wir von ihm, wenn auch viele derselben uns nur dem Titel nach überliefert sind; sie behandeln Mathematik, Astronomie, Physik, Pädagogik, Jurisprudenz, Baukunst, Geschichte, [467] Geographie, Ethik, berichten über von ihm gemachte Erfindungen allerhand Art u. s. w.

Wie bereits erwähnt, war W. auch zum Oberbaudirector ernannt worden. Es war dies durchaus nicht ein bloßer Titel; es wird uns von einer Menge Bauten berichtet, die er theils neu aufführen, theils aus alten Gebäuden umändern ließ. Besondere Verdienste erwarb er sich durch den Umbau der Collegiengebäude; fast weltberühmt aber wurde die „Weigeliana domus“, das Wohnhaus, das er sich selbst erbaute; es gehörte zu den sieben Wundern von Jena. Es wird uns geschildert als ein dreistöckiges Haus, auf dessen Dach noch drei Geschosse aufgesetzt waren; das ganze endlich überragte ein Thürmchen, dessen Dach aufgeschlagen werden konnte; senkrecht unter diesem Thürmchen führte aus dem Keller eine Wendeltreppe durch alle Geschosse; wurde das Dach des Thurmes aufgedeckt, so soll man bei Tage vom Keller aus durch diese „Röhre“ Sterne erster und zweiter Größe haben beobachten können. Neben jener Treppe war außerdem ein Fahrstuhl, der von dem Lichtschacht aus nicht zu sehen war, angebracht. W. soll sich wiederholt das Vergnügen gemacht haben, seine Gäste durch unbemerkte Benutzung dieses Aufzuges in Erstaunen zu setzen. Befand er sich mit ihnen im Keller, etwa zu astronomischen Beobachtungen, so hieß er sie schließlich auf der Treppe vorauszugehen; er werde gleich nachkommen; er benutzte alsdann den Aufzug und erwartete in einem der oberen Stockwerke die Gesellschaft, die dann höchlichst erstaunt war, wie er wol dorthin gelangt sein mochte. Durch das ganze Haus hatte er ferner eine Wasserleitung gezogen; das merkwürdigste aber war die sogenannte „Weigelische Kellermagd“: In einer Wand seines Wohnzimmers befand sich ein trichterförmiges Gefäß und unweit davon eine durch einen Hahn verschließbare Röhre; goß W. in jenes Gefäß ein Maaß Wasser, so floß nach Oeffnung des Hahns aus der Röhre eine gleiche Quantität Wein. Der Apparat war nach dem Princip des Heronsbrunnens construirt, dessen Springgefäß das Weinfaß war. Diese mancherlei wunderlichen Vorrichtungen brachten ihn beim Volke in den Ruf eines Schwarzkünstlers. Uebrigens scheint W. kein besonderes Gehalt als „Ober-Baudirector“ bezogen zu haben, obwol ihm das Amt viel Arbeit machte.

Die Sitte der Zeit forderte von jedem akademisch Gebildeten, daß er sich in der Welt etwas umgesehen habe, „peregrinirt sei“. Man unternahm diese Reisen entweder um bei berühmten Leuten zu hören, oder mit ihnen über wissenschaftliche Fragen persönlich unterhandeln zu können – es sei hier namentlich an die theologischen Disputationen erinnert – oder endlich um sein eigenes Wissen denen draußen anzubieten und mitzutheilen. Auch W. that dieser Forderung seiner Zeit genüge. Er besuchte Holland und Belgien, welche Reise ihn mit Huygens in Berührung brachte, und begab sich noch in seinem 72. Lebensjahre auf den Reichstag zu Regensburg, um die Annahme des verbesserten Gregorianischen Kalenders durchzusetzen; in Nürnberg hatte er wiederholt verweilt, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er auch Wien gesehen hat.

Von bedeutenderen wissenschaftlichen Leistungen Weigel’s in seinem Sonderfache, der Mathematik, ist nichts zu berichten. Sein wesentlichstes Verdienst um diese Wissenschaft ist, daß er auf alle Weise bemüht war, ihr mehr Eingang zu verschaffen, nicht nur auf den deutschen Universitäten, sondern vornehmlich auch auf den Schulen. Mußten doch damals die Universitätslehrer damit beginnen ihren Schülern die vier Species beizubringen! Als Curiosum wollen wir erwähnen, daß W. die Schuld für die Abneigung gegen die gemeine Rechenkunst zu einem nicht geringen Theil der unserem Zahlensystem zu Grunde liegenden Grundzahl Zehn zuschrieb, diese sei zu groß; und so versucht er es denn, die Vier an ihre Stelle zu setzen; in vielen Schriften handelt er über diese „Tetraktys“, [468] und er bemüht sich auf alle mögliche Art nachzuweisen, daß diese Grundzahl vier die einzig naturgemäße und zweckmäßigste sei. Die Rechenkunst ist nach ihm übrigens nicht nur eine logische Operation, sondern vielmehr auch eine ethische Uebung, die nicht allein den Verstand, sondern ebenso den Willen stärkt.

Seinem niedrigen mathematischen Standpunkt entsprechend waren auch seine Kenntnisse auf dem Gebiete der Physik, Mechanik und Technologie; indessen kam ihm, wie schon oben erwähnt, für die letzteren Disciplinen ein unverkennbares technisches Geschick zu gute, das ihm gestattete eine Menge von neuen Apparaten zu construiren, sowie eine große Anzahl von Erfindungen zu machen, wenn auch letztere häufig genug in bloße Spielereien ausarteten. Er betrachtete es geradezu als eine Pflicht seiner Profession Erfindungen zu machen und dankte Gott für die „vielen inventiones, die dieser seiner Wenigkeit bescheert habe“. In Jena freilich fanden seine Erfindungen wenig Beifall, weshalb er nach England zu reisen beabsichtigte um sie der königlichen Societät in London vorzulegen. Er wandte sich dieserhalben im J. 1690 an die Nutritoren der Universität mit der Bitte um Urlaub. Johann Georg forderte zunächst ein Gutachten der Universität über Weigel’s Gesuch ein; diese aber entschied, daß W. die Reise nach London vergeblich machen würde. Beschrieben hat er seine Erfindungen in den „Mathematischen Kunstübungen sampt ihrem Anhang“ (Jena 1670); es finden sich darunter Himmelsgloben, ein Sprachrohr, Wasserkünste, Oefen, ein Hausaufzug, elastische Kissen, welche die Wirkungen des Stoßes beim Reiten und Fahren aufheben sollten, ein mechanisches Amphibium, d. i. ein Wagen für 4 Personen, der auch als Kahn benutzt werden konnte, ein Ambos, bei dessen Gebrauch die Gebäude keine Erschütterungen erleiden u. s. w.; natürlich fehlte auch das Perpetuum mobile nicht; nur war dieses allerdings „wegen seiner Kostbarkeit noch nicht ins Werk gerichtet noch wie die anderen Inventionen auf die Probe gestellt worden“.

Besonders verdienstvoll sind Weigel’s Bestrebungen um Verbesserung des Kalenders und Reinigung desselben von dem astrologischen Unsinn. In den katholischen Ländern war durch die Bulle Gregor’s XIII. vom 24. Februar 1582 statt des Julianischen ein verbesserter Kalender eingeführt worden. Man hatte bis dahin das Jahr zu 3651/4 Tagen gerechnet, während es in Wahrheit nur 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 48 Secunden enthält; dadurch war bis zum Jahre 1582 bereits ein Fehler von 10 Tagen entstanden; man ließ daher in jenem Jahre auf den 4. October sofort den 15. folgen und zugleich wurden die weiteren bekannten Festsetzungen über die Schaltjahre getroffen, um der Wiederholung derartiger Störungen vorzubeugen. Diesen Bestimmungen des Papstes hatten sich indes die Protestanten nicht gefügt, schon um der Opposition willen, und so bestand in Deutschland neben dem Gregorianischen der alte Julianische Kalender fort; beide wurden als alter und neuer Stil unterschieden. Da war es nun W., der energisch für eine Einigung in dieser Frage im Sinne des Gregorianischen Kalenders eintrat. Er brachte diese Angelegenheit direct vor den Reichstag zu Regensburg, erlebte freilich den Erfolg nicht mehr; denn, wie bereits oben erwähnt, starb er am 21. März 1699, während der Beschluß zur Einführung des verbesserten Kalenders erst am 23. September desselben Jahres gefaßt wurde. In mehreren Schriften hatte er auch gegen die Kalendermacher geeifert, deren ganze Arbeit „in dem Prognosticiren oder auf Deutsch Wahrsagen oder noch besser Deutsch Lügen“ bestehe. „Und dabei ist der Betrug ganz offenkundig“. Zur Besorgung des ganzen Kalenderwesens sollte nach seinem Vorschlag ein „Collegium Artis Consultorum“ eingesetzt werden, das aus 20 Mann bestehen und außer für die Astronomie gleichzeitig auch noch für [469] Hebung der Künste und Handwerke thätig sein sollte; das geschah nun zwar nicht; bemerkenswerth ist aber, daß die von Weigel’s Schüler Leibniz 1700 begründete Berliner Societät (jetzt Akademie) der Wissenschaften ziemlich den Vorschlägen Weigel’s entsprechend eingerichtet war, daß ihr insonderheit auch die Ueberwachung des Kalenders oblag.

Zum Schluß müssen wir noch der theoretischen und praktischen Bestrebungen Weigel’s auf dem Gebiete der Pädagogik Erwähnung thun. Ein Mann von seinem vielseitigen Interesse konnte unmöglich die Bestrebungen seines Jahrhunderts nach Schulreformen unbeachtet lassen, selbst wenn er nicht, wie es der Fall war, unmittelbare Veranlassung dazu gehabt hätte. Mußte er doch als Universitätslehrer „bei genauer Beobachtung des Thuns und Lassens der akademischen Jugend wahrnehmen, wie ganz enorm und unartig das Bezeigen, und wie groß der Mißbrauch der akademischen Freiheit, zumalen bei solchen von Schulen erst ankommenden jungen Leuten war“. Man bekommt allerdings eine eigenthümliche Vorstellung von den Zuständen, die zu jener Zeit auf der Universität Jena geherrscht haben müssen, wenn man W. in einer Schrift „Programma de possibili grataque pravitatis inveteratae emendatione“ zugestehen hört, daß „schmähliche Saufgelage stark grassirt hätten, und daß auch die Professoren sich daran betheiligt hätten“, und er zur Hebung des Rufs der Universität versichern muß, „daß das nächtliche Lärmen und Krakehlen auf den Straßen, das nicht nur die öffentliche Ruhe gestört, sondern nicht selten zu Mord und Todtschlag geführt habe, durch frühzeitigeres Schließen der Häuser und sorgfältigere Bewachung der Stadt abgestellt sei“. W. erkannte nun ganz richtig, daß der Möglichkeit eines Mißbrauchs der akademischen Freiheit bereits durch die Erziehung der Jugend auf der Schule wesentlich vorgebeugt werden könne. Geradezu spaßig aber ist der Weg, auf dem nach seiner Meinung das Ziel zu erreichen sei; das soll nämlich geschehen durch eifriges Studium der Mathematik. „Rechnen ist lauter Tugendübung. Wer z. B. dividirt, ist andächtig, und da er den Quotienten selbst nicht weiß, so hebt er gleichsam seine Augen auf und bittet damit, daß der Herr der Wahrheit ihn zu der gesuchten aber annoch verborgenen Wahrheit leiten wolle“. Ausführlich legt er dar, wie durch Ausübung der vier Species angewöhnt werden können Liebe zur Wahrheit, Bedachtsamkeit, Sittsamkeit, Gleichmüthigkeit, Sanftmuth, Wahrhaftigkeit, Verschwiegenheit, Sparsamkeit, Emsigkeit, Nüchternheit, Keuschheit u. s. w., u. s. w. Man muß diese Ungeheuerlichkeiten wol der Begeisterung des Mannes für sein Sonderfach zu gute halten. Uebrigens hat W. sich ein wesentliches Verdienst um die Schule durch energisches Eintreten für Einführung der Muttersprache erworben, wie er denn selbst in seinen akademischen Vorlesungen sich der deutschen Sprache bediente. Er erprobte seine pädagogischen Theorien praktisch in der von ihm begründeten „Tugendschule“, und nach Berichten, die wir über die Leistungen derselben haben, muß er wirklich manche Erfolge erzielt haben.

Erhard Weigel. Ein Lebensbild von Edmund Spieß. Leipzig 1881. (Hierin auch ein ausführliches Verzeichniß seiner Schriften und Erfindungen.) – Jöcher. – Bartholomäi, Erhard Weigel, in der Zeitschrift f. Mathematik und Physik, herausgeg. von Schlömilch, Kahl und Cantor, Jahrgang XIII. Leipzig 1868; derselbe handelt über ihn als Philosophen in der Zeitschrift f. exakte Philosophie, Bd. IX, Heft 3, 1871. – Vgl. auch: Poggendorff, Biogr.-lit. Handwörterbuch. Leipzig 1863.